Was wir wollten und was daraus geworden ist

von OBM H.J. Reuschel

Über einen Schlüsselschalter werden alle 6 Bälge mit zeitlicher Verzögerung hintereinander aufgezogen. Jeder einzelne Balg hat eine einzelne Balgaufzugssteuerung, die über eine Vorsicherung auch abgestellt werden kann. Es wurde bewußt keine Zwangssteuerung eingebaut, um das natürliche Ablaufen der Bälge nicht zu beeinflußen. Über ein Band an der Balgwippe wird mit Hilfe eines Elektromotors und eines Getriebes der Balg zuerst langsam aufgezogen. Danach beschleunigt die Antriebseinheit den Balg um dann wieder abzubremsen und den Balg gefühlvoll auf den Wind zu setzen. Die 3 Beschleunigungabschnitte sind jeweils einzeln einstellbar. Nach Erreichen seines Höchstpunktes gibt der Elektromotor das Aufzugsband und damit den Balg frei. Die Motorrückspulgeschwindigkeit wird über einen zwischengebauten einarmigen Hebel gesteuert. Je nach Windbedarf läuft das Band in entsprechender Geschwindigkeit ab, bis die Wippe ihren Startpunkt wieder erreicht. Die Bälge müssen beim Windabgeben unbedingt ganz frei ablaufen können. Geringste Spannungen im Band werden deutlich hör- und messbar.

Nachdem alle 6 Bälge aufgezogen sind, gibt der Balg der am weitesten geöffnet ist, also den höchsten Druck hat, Wind ab bis sich dessen unterste Falte aufgelegt hat. Sobald sich eine Falte schließt, sinkt der Druck um einen bestimmten Wert, er sinkt also in Stufen je nach Anzahl der geschlossenen Falten. Hier wirkt sich das Gewicht der Falten aus. Danach folgt der nächste Balg. Wenn bei einem sich eine Falte schließt wartet er auf die anderen Bälge; stehen dann alle auf gleicher Höhe sinkt auch der erste weiter. Dadurch ist die Druckdifferenz der Bälge zueinander nur gering, es genügt eine geringe Druckschwankung und Bälge mit etwas niedrigerem Winddruck können ebenfalls Wind abgeben. So geht dies normalerweise weiter, bis der erste Balg sein Aufzugspunkt erreicht hat. Das noch vorhandene Restwindvolumen reicht vollkommen aus, bis der erste Balg wieder aufgezogen ist. Bei der großen Anzahl der Bälge und kleinen baubedingten Unterschieden im Ablaufverhalten (praktisch nicht vermeidbar ) stellt sich die Gefahr der kurzzeitig windlosen Orgel nicht, da die Bälge kurz bevor sie leer sind, wieder aufgezogen werden. Die Aufzugsgeschwindigkeit wurde von uns als Kalkanten zuerst manuell ausprobiert. Danach stellten wir die Elektronik ein. Beim extrem vollgriffigen Orgelspiel zeigte sich allerdings, daß die Aufzugsgeschwindigkeit erhöht werden mußte. Obwohl alle Bälge bei gleicher Stellung 65mmWS Winddruck liefern, laufen diese, durch ihre Reibung bedingt, geringfügig unterschiedlich ab.

Einfaltige Bälge haben ein entgegengesetztes Druckverhalten: Bei einfältigen Keilbälgen ohne Hilfsmittel wird der höchste Druck kurz vor dem Schließen des Balges erreicht, den niedrigsten Druck hat der gerade neu aufgezogene Balg. Daraus folgt, der zuerst aufgezogene Balg hat einen Druckvorsprung, den er beim Niedergehen noch ausbaut, d.h. die Druckdifferenz zwischen dem sich entleerenden Balg und den übrigen aufgezogenen Bälgen wird immer größer, so daß diese bei Druckschwankungen nicht eingreifen können.

Eine Anlage mit drei einfältigen Keilbälgen versorgt ohne Schwierigkeiten die Brandenstein Orgel in der Abtei Weltenburg.