Die elektronische Steuerung der Mehrfaltenbalganlage
der Stieffell-Orgel in St. Alexander, Rastatt

© Erzb. Orgelinspektor M. Dücker, Dr. med. M. Kaiser, OBM H. J. Reuschel, OBM A. Ziegltrum

OBM H. J. Reuschel

Erst in den letzten Jahren wird bei Restaurierungen auch der Windversorgung mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Dieser Teil der Orgel wurde lange stiefmütterlich behandelt und die Wiederherstellung der originalen Windversorgung, besonders bei Spanbalganlagen, nicht konsequent angegangen. Sehr oft konnte die originale Balganzahl nicht wieder eingesetzt werden und wenn ein elektrisches Gebläse installiert wurde, dienten die Bälge entweder nur als Magazin oder die mechanische bzw. pneumatische Steuerung der Bälge griff massiv in die innere Struktur der Orgel ein.

Dieses Vorgehen steht in einem latenten Widerspruch zum Restaurationsgedanken oder grenzt die Windversorgung aus dem Restaurationskonzept aus. Dies muss dann als bedauerlich betrachtet werden, wenn man davon ausgeht, daß der Charakter des Windversorgungssystems die klanglichen Qualitäten einer Orgel mit beeinflußt. In dieser Annahme - war sie anfangs auch nur ein Verdacht - lag und liegt unser Interesse an der Entwicklung einer alltagstauglichen Steuerungsmöglichkeit für Mehrfaltenbalganlagen begründet.

Als wir (OBM Armin Ziegltrum und OBM H.J.Reuschel) vor mehr als zehn Jahren – während des Meisterkurses – begannen, uns mit dem Thema "Steuerung für (historische) Keilbalganlagen" auseinanderzusetzen, beschäftigten wir uns zunächst in guter alter Orgelbauertradition mit mechanischen und allerhöchstens pneumatischen Konzepten. Eine elektronische Steuerung stand für uns damals nicht zur Debatte. In den folgenden Jahren konnten wir mehrere Orgeln besichtigen, bei deren Restauration oder Rekonstruktion Versuche unternommen worden waren, sich einer (originalen) Windversorgungstechnik mittels Keilbalganlagen (wieder) anzunähern.1

1993 ergab sich dann schließlich die Gelegenheit, unsere eigenen Ideen zu erproben und umzusetzen. Die Fa. Georg Jann, bei der damals sowohl Armin Ziegltrum als auch Hans Reuschel beschäftigt waren, hatte den Auftrag übernommen, die Stieffell Orgel in St. Alexander in Rastatt/Baden zu restaurieren. Das Restaurierungskonzept sah auch die Wiederherstellung der originalen Windanlage mit 6 Mehrfaltenbälgen vor, die von Hand oder mittels einer Seilaufzugsanlage gesteuert werden sollte.

In der Zwischenzeit schlossen wir allerdings auch die Möglichkeit einer elektronischen Steuerung der Seilaufzugsanlage in unsere Überlegungen mit ein. Nachdem sich schnell herausgestellt hatte, daß es eine für dieses Projekt passende "Fertigware" nicht gab2, nahmen wir unsere eigenen Überlegungen wieder auf und es gelang, einen Freund, Dr. Manfred Kaiser (Arzt und Physiker ) für unser Problem zu interessieren und dann auch für die Zusammenarbeit zu gewinnen.

Dieser Bericht will unsere Ideen, Versuche und Probleme bei der Entwicklung einer elektronischen Steuerung für eine Mehrfaltenbalganlage schildern und vor allem auch Mut machen, die Probleme anzugehen. Unsere Erfahrungen haben bestätigt, daß der Orgelklang von der Art der Windversorgung beeinflußt wird und es deshalb bei Restaurationen unumgänglich ist, sich mit der originalen Windversorgung zu beschäftigen.

1 Mit unserem Freund und Kollegen OBM Markus Leipold konnten wir die Goll Orgel III/33 Register in Luzern besichtigen. Eine ähnliche Anlage steht im Käppele/Würzburg (Vleugels). In Landberg/Lech wurde von der Fa.Jann der Versuch unternommen eine Steuerung zu installieren, der sich jedoch nicht als erfolgreich erwies. Weiterhin besuchten wir die Orgeln in Kiedrich und St.Urban der Fa. Kuhn /Männedorf ,CH.

2 Zugleich hielten wir aber immer wieder Ausschau nach bestehenden Balgaufzugsanlagen: Arno Calouri, CH, der es uns ermöglichte, seine elektrische Anlage in Wohlen, BE zu besichtigen (IP/7Register, J.Messmer, 1695) sei an dieser Stelle ganz herzlich für den freundlichen, offenen und kollegialen Austausch gedankt.